Warum eigentlich die Mariazellerbahn Leitartikel von Martin Kirchmair
ehemaliger Schriftführer

Da gibt es also unweit der Millionen-Weltstadt Wien eine 85 km lange Schmalspurbahn, die einen kleinen Wallfahrtsort mit einer jungen Landeshauptstadt verbindet. Eine Bahn, die fast 100 Jahre alt ist und auf der Fahrzeuge planmäßig im Einsatz sind, die andernorts wohl schon längst im Museum stünden. Sie ist nicht gerade die Schnellste, auch nicht die Bequemste, fährt teils durch unbewohnte Gebiete, teils entlang einer gut ausgebauten Straße und ist alles andere als der Liebling ihres Betreibers. Eine Bahn also, die so gut wie nichts aufzuweisen hat, was ein modernes Verkehrsmittel attraktiv und konkurrenzfähig (um zwei der "beliebtesten" Neuzeitwörter zu gebrauchen) machen könnte.

Und dann gibt es einen Verein, dessen derzeit ca. 400 Mitglieder sich das Ziel gesetzt haben diese technische Kuriosität unter allen Umständen am Leben zu erhalten.
Anreise-Schema

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Was also ist dran an dieser Bahn?
 
4090 bei Annaberg - Reith
Wer - vor allem als Nicht-Eisenbahninteressierter - das Wort "Schmalspur" hört oder liest, assoziiert diesen Begriff zumeist mit Minderwertigem, Unbedeutendem. Doch auch mancher Eisenbahnfreund denkt dabei allzu gern ausschließlich an unkrautüberwucherte Nebenlinien, auf denen so alle paar Sonntage einmal ein schnaufender Nostalgiezug dahinrumpelt, während "richtige" Eisenbahn für ihn erst beim ICE anfängt.

Wer sich hingegen intensiv mit dem Thema  moderne Schmalspurbahn  beschäftigt, stößt relativ rasch auf die Schweiz, wo ihm eine hierzulande ungewohnte Fülle an Varianten begegnet und er mit einem Superlativ nach dem anderen konfrontiert wird.

Davon inspiriert ist der Vergleich rasch zur Hand, man möge doch die MzB nach Schweizer Vorbild betreiben und ihr dadurch den nötigen Aufwind verschaffen. Ich möchte hier nicht darüber befinden, ob dies tatsächlich eine Lösung für die Zukunft dieser Bahn sein könnte.

Mir geht es vielmehr darum aufzuzeigen, welche Motive ausschlaggebend sein könnten sich für die MzB in ihrer aktuellen Situation zu interessieren und aktiv zu sein.

Der Wert dieser Bahn liegt nicht (mehr) in ihrer Verkehrsleistung. Da hat sie ihre Glanzzeiten schon lange hinter sich. Weder Pilgerströme noch Schüler oder Ausflügler und schon gar nicht Fracht sind in dem Ausmaß auf die Bahn angewiesen, dass sich der teuere Betrieb dafür noch rentieren würde. Trotzdem wäre ihr Verschwinden für viele ein sehr großer Verlust und bilden sich Initiativen, die dies verhindern wollen.

Vielfach kommentieren Reisende eine MzB-Fahrt mit dem Begriff "schön". Keine Statistik, keine Bilanz und kein Wettbewerb können damit etwas anfangen. Doch der Mensch, für den Schönheit ein hohes, wertvolles Gut ist, weiß diese umsomehr zu schätzen. Und sie ist tatsächlich SCHÖN, die MzB!
 
1099 Doppeltraktion vor dem Ötscher
Ich verwende dieses Wort nicht für Assoziationen wie Design, Styling, Facelifting oder (weniger Neudeutsch) Farbgebung, sondern für das Gesamtbild, das die Bahn vermittelt. Die der weichen, hügelig bis leicht gebirgigen Landschaft optimal angepasste Linienführung mit ihren schonend eingefügten Kunstbauten bildet den Rahmen und die Basis für die kleinen gedrungenen Züge, die selbst wenn sie fallweise aus zwei Loks und mehr als zehn Wagen bestehen, nie den Eindruck störender Gigantomanie vermitteln. Trotz der Leistung, die die kleine Bahn aufbringen muss um sich zum Scheitelpunkt hochzuarbeiten, hat sie etwas Spielerisches an sich, was Freunde von mir anlässlich einer Fahrt einmal zu der Bemerkung veranlasste, sie fühlten sich in eine Modellbahnanlage hineinversetzt.
Oder, um Goethe zu zitieren, so reist man ja nicht nur um anzukommen. Wer sich dem Genuss einer entspannenden Fahrt oder dem Anblick harmonisch durch die Natur gleitender Züge einmal voll und ganz hingegeben hat, findet schon Motivation genug für die Erhaltung dieser Bahn einzutreten.

War früher vor allem die Wallfahrtskirche das Ziel der Reise, so ist heutzutage vielmehr die Reise selbst Ziel und auch Wallfahrt. Wallfahrt als Besinnung auf Werte abseits von Hektik, Stress und Leistungsdruck..
 
4. Vereinsfahrt: 1099 Doppeltraktion vor Wienerbruck, aus dem Zug  fotografiert!

Ist das vielleicht jemandem zu langweilig? Braucht vielleicht jemand einen "Kick" oder einen "Event"? Bitte sehr, auch das ist möglich. Ich empfehle eine Fahrt im Winter bei Neuschneezuwachs von über einem Meter auf der Bergstrecke! Das lässt so manchen High-Tech-Erlebnispark alt aussehen...

Ein weiteres Motiv, welches für das Interesse an der Erhaltung dieser Bahn ausschlaggebend sein kann, ergibt sich aus der Tatsache, dass die MzB die einzige im heutigen Österreich noch betriebsfähige Schmalspurlinie ist, auf der ein hauptbahnmäßig organisierter Verkehr abgewickelt wurde und - wenn auch mit Einschränkungen - immer noch wird.


Lokomotivbespannte Reisezüge, verhältnismäßig lange und schwere Güterzüge, sogar Eilzüge, und das auf einer kühn trassierten Gebirgsbahn mit nur 76 cm Spurweite, waren von Anfang an ein Charakteristikum der MzB, wie es österreichweit kein zweites gab oder gibt. Auch technisch wurde in manchen Bereichen zum Zeitpunkt der Errichtung völliges Neuland betreten, wobei sich die damalige Entschlossenheit und der Mut der Pioniere bis heute im harten Betriebsalltag bewährt haben. Diese Leistungen zu würdigen und in Ehren zu halten, sie vor allem nicht als "längst überholt" degradieren zu lassen, ist auch eine der Aufgaben, die sich die Freunde der MzB gestellt haben.

Und schließlich glaube ich, dass man sich auch für eine verkehrspolitische Zukunft dieser Bahn engagieren kann. Mit zunehmendem Individualismus, dessen Zeitgewinn immer öfters in Stau und Parkplatzsuche verloren geht, von Umweltaspekten ganz zu schweigen, bietet sich die MzB als regionale Alternative geradezu an. Sie ist ja vorhanden, muss nicht erst neu geplant und gebaut werden, sie hat sich über all die Jahrzehnte bewährt und dabei auch ihre Leistungsfähigkeit bewiesen.

Viele Ideen zu einer Modernisierung existieren in Köpfen, am Papier, in Schubladen.
Ideen, die größtenteils von rührigen Interessenten und Freunden der MzB stammen. Von Menschen also, die - erst jeder für sich, dann alle zusammen - Gründe gefunden haben sich für den Fortbestand dieses einzigartigen Gutes einzusetzen.


Darum: Die Mariazellerbahn!


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